– Monatsstein Mai –

Fundorte: Kolumbien, Brasilien, Simbabwe, Afghanistan, Australien, Ghana, Indien, Madagaskar, Malawi, Mozambique, Namibia, Nigeria, Pakistan, Sambia, Tansania und USA
Mohshärte: 7,5 – 8
chem. Zusammensetzung: Al2Be3(Si6O18)
Spez. Gew.: 2,8
Kristallsystem: hexagonal
Brechungsindex: 1,57

Wer ehrgeizig und leidenschaftlich ist, der braucht nicht lange nach seinem Lieblingsstein zu suchen. Seinem Temperament entspricht der Smaragd, der kostbarste aller grünen Edelsteine und zugleich das Juwel für den Mai. Die Szenerie des Wonnemonats tritt bereits in den noch mystischen Schilderungen des Mittelalters vor Augen, wenn die steinkundige Hildegard von Bingen schreibt: „Der Smaragd entsteht in der Frühe des Tages, wenn das Grün der Erde am frischesten, die Luft noch kalt, die Sonne aber schon warm ist und die Kräuter die grüne Farbe so stark einsaugen wie ein Lämmchen die Milch.“

Kein Zweifel, der Smaragd ist der Edelstein mit dem gewissen Etwas und lässt sich am ehesten mit einer rassigen Frau vergleichen, wie es Goethe mit Ottilie in den Sinn kam. So wie weibliche Schönheit in vollkommenem Ebenmaß von manchem bald als langweilig empfunden wird und kleine Fehler erst den Nimbus des Besonderen und Einmaligen verleihen, so ergeht es auch dem Smaragd. Einschlüsse und Sprünge im Kristall sind, wenn sie das herrliche Grün nicht stören, sozusagen das Identitätsmerkmal. Schließlich sind bei keinem anderen Edelstein fehlerhafte Exemplare so weit verbreitet und fehlerfreie so selten. Für makellose mehrkarätige Smaragde bester Farbe gibt es deshalb wie beim Rubin auch keine Marktpreise mehr. Der Liebhaber zahlt.

Nur eine Spur von Chromoxyd (0,1 bis 0,3 Prozent) verleiht dem Beryll, dessen klarblaue Erscheinung als Aquamarin bekannt ist, das prachtvolle Grün, das Naturforscher und Romantiker mal mit der Frische einer Frühlingswiese, mal mit dem kühlen Grund des Meeres bei Sonnenschein verglichen, ohne in der Beschreibung das Farbwunder auch nur annähernd zu treffen. So weit entfernt von der wahren Schönheit des Smaragds ist auch die Mehrzahl der im Handel angebotenen größeren Steine. Bei der früher angenommenen Heilwirkung gegen Epilepsie, Appetitlosigkeit, Gedächtnisschwäche, Halluzinationen und Kopfschmerz werden jedoch auch blassere Exemplare akzeptiert worden sein.

Wer einmal nach Herzenslust Smaragde mit den Augen „schlürfen“ möchte, der ist in der Schatzkammer des Topkapi-Palastes in Istanbul am richtigen Ort. Neben dem durch den Kriminalfilm „Topkapi“ weltberühmt gewordenen Dolch leuchten einem hier aus den Sultansschätzen des 17. und 18. Jahrhunderts immer wieder faustgroße sattgrüne Exemplare entgegen. Mitunter ist die natürliche Kristallform, die sechsseitige Säule, nur poliert worden. Im Schmuck wird dagegen die achteckige Form des Treppenschliffs bevorzugt, die dem Charakter des Edelsteines mit seiner nicht allzu hohen Lichtbrechung am besten entspricht. Eine gute, über dem Quarz liegende Härte (7,5 – 8 auf der Mohs’schen Zehnerskala) schützt den Smaragd weitgehend vor Kratzern. Die Sprödigkeit ist jedoch ein anderes Problem, das zu allerlei Aberglauben führte. Der Smaragd wurde als Symbol der Keuschheit verstanden, und es hieß, er zerspringe, wenn sich Mann und Frau berührten. Andere hielten ihn dagegen für ein Aphrodisiakum und glaubten nur, er zerplatze in falscher Hand. Da die meisten Kristalle von vielen feinen Rissen durchzogen sind, vertragen sie kein hartes Anschlagen. Manche zerspringen bereits, wenn sie aus der Tiefe der Erde an die Luft kommen.

Wenn im alten Griechenland von „smaragdos“ die Rede war, galt das vermutlich für alle grünen Steine. Gleichwohl war der leuchtendgrüne Beryll bereits in der Antike überaus geschätzt. So soll den Ring des Polykrates, den dieser in der Furcht vor übermäßigem Glück den Göttern zur Versöhnung opferte, ein Smaragd geziert haben, Nero trug zur Kräftigung der Augen angeblich ein Smaragdmonokel, und nach einer Legende bestand sogar die Gralschale aus dem seltenen Edelstein. Beliefert wurde der Mittelmeerraum in der Frühzeit aus Oberägypten, wo die „Smaragdminen der Kleopatra“ schon zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. bekannt waren. Bereits die alten Ägypter schrieben dem Edelstein Heilkräfte zu, vor allem für die Augen, als Gegenmittel gegen alle Gifte und in der Geburtshilfe, wobei der Smaragd auf den Oberschenkel gelegt die Niederkunft beschleunigen, auf dem Schoß aber verzögern sollte. Die Sitte, dass Ärzte den Stein trugen, hat sich bis heute in Arabien und Nordafrika erhalten. Die Römer haben aber auch schon in der von Sammlern noch heute frequentierten alpinen Smaragd-Fundstelle im Habachtal/Österreich geschürft, und die schönen Steine, die Plinius aus dem „Land der Skythen“ beschreibt, lassen den Schluß zu, dass die russischen Minen am Tokowaja-Fluß ebenfalls eine lange Geschichte haben.

Die unbestritten besten Smaragde kamen und kommen jedoch aus Kolumbien. Ungeheuer muss die Menge gewesen sein, die die spanischen Eroberer den Eingeborenen abnahmen. Allein auf einem Schiff, das 1587 von Peru nach Europa zurücksegelte, sollen sich zwei Kisten mit je einem Zentner Smaragde befunden haben. Fieberhaft begann die Suche nach den Ursprungsorten. In Peru fanden die Spanier ebensowenig eine Mine wie den straußenei-großen Smaragd, der den Erzählungen nach als Göttin verehrt wurde. Dagegen kamen die grünen Schätze im kaum durchdringlichen Urwald Kolumbiens mehr und mehr zutage. Seit 1580 ist die Mine Chivor, das spanische Somondoco, in Betrieb, und Muzo, das Anfang unseres Jahrhunderts mit 450 Arbeitern die vermutlich größte Farbsteinmine der Welt war, dürfte 1610 eröffnet worden sein.

Heute sind in Kolumbien etwa 150 Fundstellen bekannt, aber nicht alle in Arbeit. Auch Muzo fördert nicht mehr. Geblieben sind der schwierige Abbau im unwegsamen, von tiefen Schluchten durchzogenen Gelände und der ständige Versuch der Arbeiter, mit immer neuen, raffinierten Ideen einen Teil der Steine beiseite zu schaffen. Geblieben ist aber auch die Schönheit der kolumbianischen Smaragde, mit denen sich kein anderes Vorkommen auf der Welt vergleichen kann, und das hat geologische Gründe. In Kolumbien kommen die Steine in Kalkschiefer-Formationen vor und haben nur farblose Einschlüsse, während bis auf ein kleines, 1969 in Tansania entdecktes Gebiet, die übrigen Lagerstätten – ob Österreich, Rußland, die teilweise sehr schön gefärbten Funde in verschiedenen Staaten Afrikas, Indien oder Australien – an Glimmerschiefer gebunden sind und mit Glimmerblättchen und Tremolitnadeln weitaus störendere Einschlüsse aufweisen können. Wenn jedoch die Farbe gut ist, bezeichnet der geschickte Juwelier einen solchen Smaragd als „jardin“, liebevoll gesagt ein Gärtchen fremder Pflanzen im Stein. Smaragde gibt es schließlich auch in Brasilien, aber sie sind im allgemeinen recht blaß.

Wegen ihrer Seltenheit und weltweit teuren Gewinnung, da sie nur im Muttergestein gefunden werden, aber nie vorher zu bestimmen ist, in welcher Schicht sie auftreten, haben Smaragde naturgegeben einen äußerst hohen Wert. Nach einer Statistik, die über zehn Jahre von 1950 an in Kolumbien gemacht wurde, war auch nur ein Viertel der gewonnen Steine überhaupt schleifwürdig und davon nur 0,1 Prozent von Spitzenqualität. In einer Kirche in Bogotá wird einer der kostbarsten Smaragdschätze, eine mit 1485 feinen Steinen besetzte goldene Monstranz, gehütet, deren Wert mehrere Millionen Dollar beträgt. Die größten in Kolumbien je gefundenen Smaragde haben ein Gewicht von 1796 und 1482 Karat. Fast mehr noch als die Einzelstücke bezaubern die Smaragdschmuckgarnituren, wie sie von Maria Theresia oder August dem Starken in den Schatzkammern Wiens und Dresdens ausgestellt sind, oder smaragdbestickte Gewänder im Moskauer Kreml.

Einen hohen Preis haben beim Smaragd selbst noch die Synthesen, bei deren Herstellung sich in recht komplizierten Verfahren seit Jahrzehnten Firmen in mehreren Ländern beschäftigen. Wer schöngefärbten Steinen zu erschwinglichem Preis begegnet, muss daher vorzugsweise auf Dubletten aus fast farblosem Beryll mit dazwischenliegender grüner Kittschicht gefaßt sein.

Wenn Sie Ihren Smaragd in Kolumbien einkaufen wollen, ist größte Vorsicht geboten. Nur eine Prüfung des „Centro Gemologico para la investgacio dela esmeralda“ bringt Sicherheit. Außer dem Ölen mit Zedernöl oder Kanada-Balsam ist keine Verbesserung der Smaragde nach internationalen Richtlinien erlaubt.