– Monatsstein Januar –

Fundorte: Argentinien, Australien, Birma, Brasilien, China, Indien, Kenia, Madagaskar, Namibia, Nigeria, Russland, Südafrika, Tansania, Tschechien und USA
Mohshärte: 6,5 – 7,5
chem. Zusammensetzung: X3Y2(SiO4)3 andere Möglichkeiten = Ca, Mg, Fe, Mn; Y = Al, Fe, Cr
Spez. Gew.: 3,4 – 4,6
Kristallsystem: kubisch
Brechungsindex: 1,7 – 1,9

Gibt es noch neue Edelsteine, glitzernde Kostbarkeiten, die unsere Eltern nicht kannten, weil sie noch nicht gefunden waren? Ja, die Natur überrascht selbst Juwelenkenner immer wieder mit ungeahnten Schätzen, so als ob sie dem sich oft so allwissend dünkenden Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts auf jedem Gebiet beweisen wollte, dass sie ihre letzten Geheimnisse niemals preisgeben wird. So fängt das Jahr gut an. Der Stein des Monats Januar ist der Granat, und eben die Edelsteinfamilie dieses Namens sorgte in den letzten Jahren für sensationelle Entdeckungen.

Granat ist sozusagen der Oberbegriff für über zehn mehr oder weniger gebräuchliche Schmucksteine, die zu den Silikaten gehören. Sie besitzen die Vorzüge guter Härte (etwas über dem Quarz) und hoher Lichtbrechung, die für die Brillanz einiger Exemplare verantwortlich ist. Was zu den verschiedenen Bezeichnungen führte, sind die durch die variable chemische Zusammensetzung unterschiedlichen Farben. Es fehlt eigentlich nur ein blauer Vertreter.

Spricht man einen Laien auf Granat an, so denkt er unweigerlich an die roten „Karfunkelsteine“ Pyrop und Almandin, die angeblich Männer galant machen. In vielen Schmuckstücken sitzen sie wie die Kerne des Granatapfels in großer Zahl beieinander, und von dieser Frucht leitet sich möglicherweise auch der Name Granat ab, den Albertus Magnus im 13. Jahrhundert erstmals verwendet haben soll. Doch diese untereinander vollendet mischbaren Magnesia- und Eisentongranate sind nur ein Zweig. Einen anderen bilden die Kalktongranate Grossular (hellgrün, rosa, gelb), Tsavorit (smaragdgrün), Hessonit (braun, orange, honiggelb – auch Kaneelstein genannt, da er nicht nur zimtfarben ist, sondern in nennenswerten Lagerstätten nur auf der einstigen Zimtinsel Ceylon vorkommt) und der dichte grün-schwarze „Transval-Jade“. Ein Mangantongranat ist der orangerote Spessartin, der tatsächlich zuerst im gleichnamigen deutschen Mittelgebirge entdeckt wurde. Als Trauerschmuck fand der schwarze Andradit, ein Kalksteingranat, früher öfter Verwendung, und mit Chromzusatz begegnen wir hier dem gelbgrünen Demantoid, der lange Zeit als wertvollster Granat galt. Das letzte Zweiglein ist der tiefgrüne, im Ural und in Finnland zu findende Uwarowit. Er ist nur leider bis auf seltene Ausnahmen winzig und undurchsichtig, so dass er für Schmuckzwecke keine Rolle spielt.

Die roten Granate kommen fraglos am häufigsten vor und tauchen bereits in altägyptischen, hellenistischen und römischen Schmuckstücken auf. Der römische Naturwissenschaftler Plinius erwähnt zum Beispiel die Stadt Alabanda als Schleifort für Granate, und die Lautverwandtschaft zum Almandin ist kein Zufall. Der kolumbinrote Almandin ist der schwerste und verbreitetste aller Granate. Dem Alpenwanderer begegnet er etwa im Ziller- und Ötztal quasi auf Schritt und Tritt, hier jedoch so wenig in Edelsteinqualität wie in den Adirondack-Bergen im Staat New York, deren Gestein zu 70 Prozent aus Almandin besteht. Auffälliger waren die Funde, die in den Flüssen des Nordwestterritoriums von Australien gemacht wurden. Da die roten Steine zunächst für Rubine gehalten und teuer verkauft wurden, gründeten sich schnell „Rubingesellschaften“ mit einigen hundert Grubenfeldern. Die florierenden Unternehmen gingen jedoch schnell wieder zugrunde, als die Steine als Granate erkannt wurden.

Vergangen ist auch die Blütezeit der Böhmischen Granate. Die Pyrope, die so ausnahmslos rein und blutrot aus den Sedimenten nordböhmischer Flüsse gegraben wurden, erlangten im vorigen Jahrhundert weltweite Verbreitung, bis die Lagerstätten zur Neige gingen, größere Steine aus den neuen Diamantseifen Südafrikas unter der verlockenden Bezeichnung „Kaprubin“ ihnen Konkurrenz machten und die Mode sich anderen Edelsteinen zuwandte.

Die rote Farbe gehört jedoch zu den Frühfaszinationen der Menschheit, und bis ins 18. Jahrhundert wurde der Granat zu den „fünf medizinischen Steinen“ gerechnet. Er soll die Kraft haben, das Herz zu stärken, Blutfluss und Durchfall zum Stillstand zu bringen und Melancholie zu vertreiben. Man musste ihn nur verreiben und einnehmen. Da kleine Körnchen von Granat selbst für den schmalen Geldbeutel erschwinglich waren, empfahl ein Arzt 1546 als Ersatzdroge für den teuren Saphir ein größeres Quantum Hyazinth (rotbrauner Zirkon) und Granat. Als Stein der Liebe prangt er im Ordensgehänge vom Goldenen Vlies, das einst Philipp der Gute, Herzog von Burgund (1419-1467), zum Ruhme der ritterlichen Tugenden, wozu er besonders die Liebesgunst zählte, stiftete. In einem Exemplar ist ein ungewöhnlich großer und reiner Granat zu bewundern.

Um die Glut der Steine besser zur Geltung zu bringen, ließen sich die Steinschneider schon früh etwas einfallen. So wurden größere dunkle Steine z. B. von unten ausgehöhlt, um sie durchsichtiger zu machen, oder mit Metallfolien unterlegt. Auch die Verarbeitung zu Gemmen ist schon aus der Antike bekannt. Alle Granate sind nur empfindlich gegen Hitze, die zum Nachdunkeln bis ins Schwarze führen kann. Roter Granat kommt heute überwiegend aus Südafrika, Indien und Sri Lanka, und die Zahl seiner Freunde wächst wieder. Die Art der Schmuckgestaltung hat sich dabei erstaunlich wenig gewandelt. Immer noch ist die rosettenförmige Verarbeitung vieler kleiner Steine die Nummer eins. Solitäre findet man höchstens bei den ungewöhnlich rosa bis rosenroten Mischkristallen der Almandin-Pyrop-Reihe, die erstmals in den USA entdeckt wurden und als Rhodolit im Handel sind. Befinden sich darunter schon einige Prachtexemplare, zu denen sich noch die von der Fachwelt bestaunten seltenen Stern- und alexandritartigen Granate aus Afrika gesellen, so wurde der Markt erst recht heiß, als 1967 in Tansania von einem Schotten die ersten smaragdgrünen durchsichtigen Grossulare aufgespürt wurden.

Aus fünf Minen, teilweise auch im Tagebau, wurde der durch Vanadium und Chrom gefärbte grüne Granat abgebaut. Die Nachbarschaft zum Tsavo-Nationalpark brachte ihm den Namen Tsavorit ein. Er hat alle Chancen, neben dem Smaragd zum König der grünen Edelsteine zu werden, da er durch seine beträchtlich höhere Lichtbrechung viel Glanz und Brillanz entwickelt, bei gleicher Härte weniger spröde und in Topqualitäten einschlussärmer und seltener als Smaragd ist. Die Preise liegen unter denen vergleichbarer Smaragde.

Die letzte Neuentdeckung machte auf der Baseler Schmuckmesse 1993 Furore. Es ist ein ungewöhnlich reiner Spessartin, der 1991 in einem einzigen „Pocket“ im Norden Namibias zum Vorschein kam und eine wahre Goldgräberstimmung auslöste. Seine Farbe ist ein hinreißendes Orange von unglaublicher Leuchtkraft. Im Dunkeln scheint er eine eigene Lichtquelle zu haben. Weltweit hat derzeit nur ein ganz kleiner Kreis Zugriff auf diese Granat-Sensation, die in den USA unter Hollandine, in Fernost unter dem schönen Namen Mandarin auf den Markt kam. Die Idar-Obersteiner Gebrüder Henn präsentieren sie als „Kunene-Spessartin“, geschliffene Solitäre bis über acht Karat Gewicht. Selbst nüchternen Betrachtern kann sich angesichts der Traumfarbe der Gedanke aufdrängen, dass – wenn überhaupt – in einem solchen Edelstein magische Kräfte schlummern.