Fundorte: Kenia und Tansania
Mohshärte: 6,5 – 7,5
chem. Zusammensetzung: Ca3 Al2 [SiO4]3
Spez. Gew.: 3,57- 3,73
Kristallsystem: rhombendodekaeder
Brechungsindex: 1,734 – 1,759

Wenn von Granatschmuck die Rede ist, denkt man unweigerlich an die Farbe Rot. Seit Jahrhunderten wird dieser Edelstein vorzugsweise so verarbeitet, dass viele kleine geschliffene Steine wie die rotfunkelnden Kerne in einem Granatapfel beieinanderliegen. Nun soll man plötzlich umdenken und sagen: Granat ist grün? Ja und nein. Die mehr als zehn Glieder umfassende Mineralfamilie der Granate hat eben, wie zahlreiche andere Edelsteingruppen auch, ein recht vielfarbiges Erscheinungsbild. Dass leuchtendes Grün dabei ist, das gar dem Smaragd Konkurrenz machen könnte, bringt den Markt erst seit rund 20 Jahren wieder in Bewegung und weckt Neugier.

Während der altrömische Naturforscher Plinius noch getrost Granat und Rot in Einklang setzen konnte, mussten seine Kollegen im 18. und 19. Jahrhundert dazulernen. Je genauer sie sich mit den kleinen Körnchen, die sich überall auf der Welt im kristallinen Urgestein finden lassen, befaßten, um so größer wurde die Farbpalette. Rote, gelbe, grüne, orange, braune, ja sogar schwarze und farblose Granate tauchten auf. Die Baugruppen dieser Silikate sind nämlich weitgehend austauschbar, und jedes Element bringt seine Farbeigenschaft mit.

Drei Granatvertreter lernte man als grüne Spielart kennen: Demantoid, Uwarowit und Grossular. In einigen russischen Juwelen tauchte vor 100 Jahren als ziemlich teure Rarität allein der Demantoid auf, der seinem Namen als „Diamantähnlicher“ mit einem ungewöhnlichen Feuer aus gelb- bis tiefgrüner Farbe alle Ehre macht. In schleifwürdigen Kristallen konnte er in den Goldseifen des Ural geborgen werden. Wegen seiner Winzigkeit lediglich mineralogische Bedeutung hat der dunkelgrüne Uwarowit. Dem Grossular schließlich, der seinen Namen der Stachelbeerfarbe verdankt, maß man ebensowenig einen Schmuckwert zu, denn sein Grün war blaß, trübe und damit nicht gerade aufregend.

Das waren die Tatsachen bis 1967. In diesem Jahr stieß der schottische Geologe Campbell R. Bridges bei der Edelsteinprospektion in den Lelatema-Bergen im Nordosten des afrikanischen Staates Tansania auf Knollen im stark gefalteten Grundgebirge, deren Inneres mit wunderschönen grünen Körnern und Kristallbruchstücken gefüllt war. Die ersten Grossulare in Edelsteinqualität waren entdeckt.

Grossular ist ein Kalktongranat, der normalerweise als Rhombendodekaeder kristallisiert. Diese Form im kubischen oder regulären System, zu der auch beispielsweise der Diamant gehört, ist für den Granat typisch. Zehn Rhomben (auch Rauten genannt) begrenzen im Idealfall gleichmäßig den Kristall, und beim Grossular sieht es dann wie ein Stachelbeerbonbon aus. Die Edel-Grossulare, die übrigens klar und durchsichtig bald darauf auch in Gelb- bis Brauntönen gefunden wurden, haben allerdings selten diese vollendete Kristallform. Sie sind meistens gedrückt oder zerbrochen und eng miteinander verbacken. Aber das spielt keine Rolle, wenn der Edelstein durch das Schleifen ohnehin eine neue Form bekommt. Und schleifen läßt sich der Grossular, der härter als Quarz ist und mit seiner Leuchtkraft fast an den Saphir heranreicht, hervorragend. Die bezaubernde grüne Farbe wird durch Spuren von Chrom bzw. Vanadium, die das Aluminium im Bauplan ersetzen, hervorgerufen.

Die Erstfunde ließen Insider aufhorchen und setzten eine intensive Suche in Gang. Der Kilimandscharo, mit 5895 Metern Afrikas höchster Berg, markierte auf der Weltkarte nach dem Tansanit zum zweitenmal die Heimat für einen neuen Edelstein. Er ist auch der markanteste Punkt des sogenannten Mozambique-Gürtels, dessen rund 600 Millionen Jahre altes archaisches Gestein sich von Madagaskar bis hinauf nach Ägypten und eventuell weiter bis zur arabischen Halbinsel zieht. Dieses kristalline Urmassiv, oftmals umgelagert, abgetragen und neu gefaltet, hat sich als reichhaltige Schatzkammer erwiesen. Neben den Weltneuheiten fand man auch Rubin, Saphir und Smaragd, Turmalin, Rhodolith und Türkis. Die heute ergiebigsten Vorkommen des grünen Edel-Grossulars finden sich in Hügelketten an der Nordostflanke des Bergriesen in Kenia. Unweit der Grenze zum Tsavo-Nationalpark wurden bis 1973 fünf lohnende Fundstellen geortet.

Der grüne Traum wird in überwiegender Handarbeit mit Löffel, Spitzeisen und Waschpfanne aus unterirdischen Stollen oder im Tagebau geborgen.

Die lebhafte Farbe des Tsavorit reicht von sehr hell bis sehr dunkel, wobei das mittlere Grün als feinste Qualität eingestuft wird. Einschlüsse sind selten, so dass auf nachträgliche „Kosmetik“ verzichtet werden kann. Während viele Smaragde zur farblichen Aufbesserung geölt werden, um störende Hohlkanäle zu verschließen, trifft man beim geschliffenen Tsavorit auf ein unverfälschtes Stück Natur. Da kann einem schon die Entscheidung schwerfallen, wenn man grüne Edelsteine favorisiert.

Der Traum vom Superfund hat sich jedoch noch nicht erfüllt. Das größte Exemplar, das bisher im Tsavo-Tal in Kenia gefunden wurde, wog 32 Karat. Das Spitzenstück, das der Erstentdecker aus seiner Mine in diesem Gebiet bergen konnte, war sogar nur sieben Karat schwer und ergab einen tiefgrünen geschliffenen Stein von 2,17 Karat. Ein amerikanischer Sammler bot Campbell Bridges dafür 20. 000 Dollar. Diese Summe läßt darauf schließen, dass der Tsavorit im Hochpreisniveau gehandelt wird. Das gilt aber nur für die seltenen Steine über zwei bzw. drei Karat. Die bei Granaten ohnehin üblichen Klein- bis Mittelgrößen sind dagegen noch zu weniger als einem Drittel des Preises für vergleichbare Smaragde zu haben. Die Tendenz ist steigend – also ein Geheimtipp nicht nur für Sammler.

Die ersten Tagebaue liegen nämlich schon wieder still. Nicht jeder Glücksritter hat zugleich die feine Spürnase wie Campbell Bridges, der unterirdisch den Spalten mit den Tsavorit-Potatoes (Kartoffeln) nachgräbt. 1990 kam er dabei zu einer Wochenproduktion von 1500 Karat Rohmaterial, was etwa 375 Karat geschliffene Steine ergab. Wie lange die Quellen für die grüne Kostbarkeit (es gibt auch Nachrichten über Edel-Grossulare aus Pakistan und Sambia) noch sprudeln, vermag niemand zu sagen. Doch bis zur nächsten Sensation auf dem Edelsteinmarkt reichen die Vorräte bestimmt, denn unser vermeintlich wohlerforschter Planet hat noch unzählige geheime Winkel.